Wolfgang Ullrich 2023

Astrid Busch and the Ecology of Images

Deutsche Fassung siehe unten

Journeys are often the result of curiosity. And because artists and scientists are considered to be particularly curious, their travels have always been given special attention, in the hope that they will bring back something that will influence other people’s knowledge or change their view of the world. In science, journeys are often called expeditions, and in art some journeys have even gone down in history: Who does not know Albrecht Dürer’s trip to Italy or the journey to Tunis undertaken by Paul Klee, August Macke, and Louis Moilliet? In recent decades, more and more ‘artist-in-residence’ programmes have been set up, allowing artists to travel to different, often quite remote places.

Astrid Busch is another artist for whom travel is crucial to her work. For her, however, curiosity goes even further, and she is not satisfied with simply finding unexpected and extreme motifs along the way. She wants to know what else can be found in the photographs she takes and collects on her travels. A large part of her artistic work therefore consists of developing further images from the photographs she brings back with her. She is always thinking of different ways of translating and extending them, using different media and materials; and once an image has been introduced into the cosmos of her work, it enters into a process of continual metamorphosis. For example, she projects images onto a surface with a striking structure of its own in order to in turn photograph the resulting phenomena. Or she places further layers of material over a photograph, which then also becomes a template for new images. Sometimes she prints them on a curtain or on aluminium, giving them a third dimension. In the exhibition space, they become structures that undulate or bend, and filmic realisations projected there at the same time add another – fourth – dimension.

In general, Busch is not interested in obvious variations and distortions; rather, she often subjects the motifs of her new pictorial works to such strong transformations that they are no longer recognisable. The origin of the images – their provenance – can therefore no longer be deduced; rather, they appear self-sufficient in every phase, not infrequently completely abstract. One might assume that Astrid Busch is always searching for the most improbable pictorial forms, indeed for hitherto unknown types and manifestations of images. Even her initial images are often unusual, as in her project world in minds, for example, which incorporates thermal images from tracking apps used to locate tankers at sea.

For viewers, this initially poses a challenge. Knowing that Busch collects the material for her works on journeys to model cities, ports, or other distinctive places, they are likely to expect interesting insights into worlds otherwise closed to them, perhaps even a collection of documentary shots. And the fact that Busch actually shows some of these images at exhibitions only heightens these expectations, making the other pictures seem all the more alien in contrast, all the more like enigmatic counter-images in their peculiarities. For some, this may be a manifestation of the pride of autonomy of an artist who refuses to accept all the external demands made on her. But this would not be an adequate description of Astrid Busch’s artistic intention.

By offering her audience images that do not reveal what they show or how they were created – that is to say, that give rise to speculation – she aims to arouse their curiosity. And when she gathers images of different character in the same room, hangs or projects some of them on top of each other, she encourages active association and further thinking, even tempting viewers to make their own sense of the pictorial processes presented. Those who do not travel to unknown or inaccessible places should not be fobbed off with a few pictures from there but should be given the promise that something new could open up anywhere at any time. The title world in minds makes this abundantly clear: There is so much to discover if you look inwards rather than outwards and rely on your own imagination. 

Astrid Busch’s approach may even be prescient for times when travel will be more difficult and even more controversial, especially for environmental reasons. Techniques will then be needed to stimulate the imagination and to experience as much as possible without further expenditure of energy. But then it will also be important to make good use of the material brought back from a journey, not to discard it indifferently, but to work with it, to use it repeatedly and in different ways. All kinds of transformations, superimpositions, and continuations will then become standard, and artists in particular will be expected to develop their own ecology of images. And what better role model than the work of Astrid Busch? 


Astrid Busch und die Ökologie der Bilder

Reisen verdanken sich oft Neugier. Und da vor allem Künstler:innen und Wissenschaftler:innen als neugierig gelten, hat man ihren Reisen immer besondere Aufmerksamkeit geschenkt, sich erhofft, sie würden etwas davon mitbringen, das auch für andere Menschen erkenntnisstiftend oder weltbildverändernd wirkt. Im Bereich der Wissenschaft deklariert man Reisen häufig als Expeditionen, und in der Kunstgeschichte sind einige Reisen sogar ein fester Begriff: Wer weiß nicht um Albrecht Dürers Italienreise oder um die Tunisreise von Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet? In den letzten Jahrzehnten wurden außerdem zunehmend ‚Artist in Residence’-Programme eingerichtet, mit denen Künstler:innen an verschiedene, oft ziemlich abgelegene Orte reisen können. 

Auch Astrid Busch ist eine Künstlerin, für deren Werk das Reisen entscheidend ist. Doch bei ihr reicht die Neugier noch weiter, ist nicht damit befriedigt, dass sie unterwegs unerwartete und extreme Motive findet. Vielmehr will sie wissen, was noch in den Bildern steckt, die sie auf ihren Reisen macht und sammelt. Daher besteht ein Großteil ihrer künstlerischen Arbeit darin, aus den mitgebrachten Fotografien weitere Bilder zu entwickeln. Sie überlegt sich immer wieder andere Arten von Übersetzung und Erweiterung, nutzt dafür jeweils unterschiedliche Medien und Materialien, und ein einmal in ihren Werkkosmos eingespeistes Bild gerät auf diese Weise in einen Prozess fortwährender Metamorphosen. Gerne projiziert sie etwa Bilder auf eine Fläche mit markanter eigener Struktur, um die sich so ergebenden Phänomene erneut abzufotografieren. Oder sie legt über ein Foto weitere Schichten von Material, auch das eine Vorlage für neue Bilder. Diese druckt sie dann vielleicht auf einen Vorhang oder auf Aluminium aus und verleiht ihnen so eine dritte Dimension. Im Ausstellungsraum werden daraus Gebilde, die sich wellen oder biegen, und filmische Umsetzungen, die dort zugleich ablaufen, bringen eine weitere – vierte – Dimension hinzu.

Im Allgemeinen interessieren Astrid Busch keine naheliegenden Variationen und Verfremdungen; vielmehr unterzieht sie die Sujets in den neuen Bildwerken oft sogar so starken Transformationen, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Der Ursprung der Bilder – ihre Provenienz – ist also nicht mehr zu erschließen, vielmehr wirken sie in jeder Phase autark, nicht selten gänzlich abstrakt. Man könnte vermuten, Astrid Busch suche nach immer noch unwahrscheinlicheren Bildformen, ja nach bisher unbekannten Typen und Erscheinungsweisen von Bildern. Schon ihre Ausgangsbilder sind dabei oft ungewöhnlich, können also etwa, wie bei ihrem Projekt „world in minds“, Wärmebilder von Tracking-Apps sein, mit denen Tanker auf dem Meer lokalisiert werden.

Für die Betrachter:innen stellt das zuerst einmal eine Herausforderung dar. Wissen sie, dass Astrid Busch den Stoff für ihre Arbeiten bei Reisen zu Modellstädten, Häfen oder anderen markanten Orten gesammelt hat, erwarten sie wohl interessante Einblicke in ihnen sonst verschlossene Welten, eventuell sogar eine Sammlung dokumentarischer Aufnahmen. Und dass Astrid Busch einige solcher Bilder bei Ausstellungen auch wirklich zeigt, steigert solche Erwartungen erst recht, lässt die anderen Bilder im Kontrast umso fremder, in ihren Eigenheiten umso mehr als rätselhafte Gegenbilder erscheinen. Für manchen mag sich darin der Autonomiestolz einer Künstlerin manifestieren, die sich allen Ansprüchen verweigert, welche von außen an sie herangetragen werden. Doch wäre die künstlerische Intention von Astrid Busch damit noch nicht hinreichend beschrieben.

Indem sie ihrem Publikum gerade auch Bilder bietet, die nicht erkennen lassen, was sie zeigen oder wie sie entstanden sind, die also zu Spekulationen Anlass geben, will sie vielmehr ihrerseits Neugier wecken. Und wenn sie im selben Raum Bilder unterschiedlichen Charakters versammelt, sie zum Teil übereinander hängt oder projiziert, dann animiert sie erst recht zu aktivem Assoziieren und Weiterdenken, ja verleitet die Betrachter:innen dazu, sich einen eigenen Reim auf die präsentierten Bildprozesse zu machen. Wer schon nicht selbst an unbekannte oder schwer zugängliche Orte reist, soll nicht mit ein paar Bildern von dort abgespeist werden, sondern die Verheißung vermittelt bekommen, überall könne sich jederzeit Neues auftun. Der Titel „world in minds“ verrät es mehr als deutlich: Es gibt so viel zu entdecken, wenn man statt nur nach außen auch nach innen blickt und auf die eigene Einbildungskraft setzt.

Vielleicht ist der Ansatz von Astrid Busch damit sogar zukunftsweisend für Zeiten, in denen Reisen schwieriger, vor allem aus ökologischen Gründen noch umstrittener sein wird. Dann wird es Techniken brauchen, um die Einbildungskraft zu stimulieren und ohne weiteren Energieaufwand doch möglichst viel zu erleben. Dann wird es aber vor allem auch wichtig sein, mit dem Material, das man von einer Reise mitbringt, gut zu haushalten, es nicht gleichgültig abzulegen, sondern damit zu arbeiten, es wiederholt und in unterschiedlicher Weise zu verwenden. Vielerlei Spielarten der Transformation, Überlagerung, Weiterführung werden dann zum Standard, und gerade von Künstler:innen wird man erwarten, dass sie jeweils eine eigene Ökologie der Bilder entwickeln. Und was könnte dann besser als ‚role model’ fungieren als das Werk von Astrid Busch?