Barbara J. Scheuermann 2011

Verschachtelte Denkräume


Astrid Buschs Bilder, Videos und Installationen generieren sich aus Kontrasten, Kontrasten zwischen Licht und Dunkelheit, funktionalem und dsyfunktionalem Erzählen, zwischen Spiel und Wirklichkeit.
Der sie umgebenden Welt nähert sich die Künstlerin nicht mit Hilfe der Wiedergabe vorgefundener Zustände im Sinne einer repräsentativen Darstellung. Vielmehr begreift sie die Welt und das, was wir unter Realität verstehen, als konstruiert und eignet sie sich durch eigene Konstruktionen und Inszenierungen an. Ihre schwer zu entschlüsselnden Bilder und Szenen sind niemals zufällig, sondern mit Sorgfalt eingerichtete Arrangements von „künstlich erzeugter Beiläufigkeit“. (Astrid Busch)
Buschs Vorgehensweise ähnelt dabei der des Bühnenbaus. Ganz bewusst spielt sie mit narrativen Schemata, das heißt, mit dem menschlichen Bedürfnis, alles Gesehene – und besonders Bilder – in erzählerische Zusammenhänge zu bringen, zu narrativieren, selbst wenn nur minimale narrative Stimuli angeboten werden, welche die Konstruktion einer zusammenhängenden Narration nicht unbedingt erlauben.
Eine Narration kann definiert werden als die Darstellung wenigstens von Rudimenten einer vorstellbaren Welt, in der ein Geschehen oder ein Zustand auf anthropomorphe
Gestalten, also Handlungsträger, zentriert und in einen potentiell sinnvollen, aber nicht notwendigen Zusammenhang eingebunden ist. Mit anderen Worten: Die Zusammenfügung von Raum, Zeit und Figur ergibt das unabdingbare erzählerische Gerüst.
Betrachtet man im Hinblick darauf Astrid Buschs neuere Arbeiten, so fällt auf, dass es sich bei den gezeigten Räumen immer um bekannte Räume – Depots, Lager, Kammern – zu handeln scheint, also um mögliche Handlungsräume. Bei genauerem Hinsehen jedoch werden sie immer unwahrscheinlicher: Türen öffnen sich in nicht vorhandene Zimmer, Treppen führen ins Nirgendwo, Gänge verschachteln sich im Undurchdringlichen. In solchen ‚unmöglichen’ Räumen kann sich der Blick verirren, Assoziationen und Erinnerungen werden geweckt. Raum für eine Geschichte im konventionellen Sinne bilden sie – entgegen der Erwartung – nicht. Konsequenterweise sind daher in Astrid Buschs jüngeren Werken keine Menschen oder andere potentielle Handlungsträger mehr zu sehen. Durch ihre narrative Leere verwandeln sich die vermeintlichen Erzählräume somit letztlich in Denkräume.

Dasselbe gilt für die bewegten Bilder, in denen es dank des Aspekts der Zeit grundsätzlich leichter ist, erzählerische Zusammenhänge herzustellen, und die so den Betrachter noch viel offensichtlicher einladen, selbst zu ‚narrativieren’. Astrid Buschs Videos, die ausschließlich als Teil von komplexen räumlichen Installationen präsentiert werden, zeigen ihrerseits Räume, oft so angefüllt mit Möbeln, Werkzeug, Pflanzen, dass der Blick in den Raum fast völlig verstellt ist. Dem Bedürfnis nach ‚Durchblick’ wird nicht nachgegeben. Gleich welchen Mediums, alle Arbeiten der Künstlerin zeichnen sich durch eine prägnante Lichtführung aus. Fast könnte man sagen, das Licht ersetze hier die Rolle eines Handelnden. Oftmals sind die fotografischen Bilder weitgehend verschattet, beinahe schwarz, in Videos beleuchten Scheinwerfer nur ganz punktuell einzelne Gegenstände oder wird das vorhandene Licht von künstlichem Nebel geschluckt. Rauminstallationen liegen mitunter im Dämmerlicht, weil die Künstlerin die Fenster des Ausstellungsraum mit Brettern vernagelt hat, so dass nur noch einzelne Lichtstrahlen den Raum erhellen.
So wird die Wahrnehmung ‚auf einen Blick’ unmöglich gemacht, die Augen müssen sich an die ungewohnten Lichtverhältnisse erst gewöhnen und können es oft gar nicht, denn die Schwärze im Bild verweigert sich nicht selten einfachen Zuschreibungen. Um die Untersuchung solcher rezeptiver Irritationen geht es in Astrid Buschs Werk mehr als um das Ausloten der jeweiligen Extreme der Kontraste. Entscheidend ist der Bereich, sind die Augenblicke zwischen den Polen: die Momente des Zweifels und der Verunsicherung, die sich mit vorsichtigem Erkennen und Verstehen abwechseln.